Nach 20+ Jahren an Bord trete ich heute etwas kürzer als Skipper und kümmere mich immer mehr um die zukünftigen Bootsführer:Innen und um mein neues Projekt in Norwegen. Trotzdem bin ich natürlich noch auf mehreren Listen und Anfang August kommt die Anfrage rein, ob ich "Valiente", ein schöner 20 m Stahlsegler von Bronsveen mit maximal zwölf Gästen und drei Crews an Bord, von Isafjördur im Nordwesten von Island über die Färöer nach Mallaig in Schottland bringen könnte. Start am 6. September und die sechs Gäste gehen am 20. September wieder von Bord.

Eigentlich bin ich durch meine anderen Aktivitäten häufig nicht mehr so flexibel und auch meine Familie hat sich bereits etwas an den neuen Rhythmus gewöhnt, aber genau in dieser Zeit stehen bei mir nur zwei eCoachings für BoatDriver und natürlich ein paar private Sachen an. Nach einer Diskussion mit meiner Frau und einem Telefonat mit BoatDriver bin ich dabei und sage zu. Danach beginnt eine Routine in meinem Kopf zu wirken und ich switche zu meinem Skipperleben. Die üblichen Checklisten werden hervorgeholt und ich frage grad noch "meine" 1. Offizierin, ob sie nicht Lust hat, diesen Trip mit mir zu fahren. Auch sie muss natürlich noch ein paar Sachen abklären, aber sagt zwei Wochen später zu. Wenn man nicht mehr so häufig unterwegs ist, wird es noch wichtiger, sich mit den Menschen zu umgeben, auf die man sich verlassen kann und die wissen, wie man tickt.

Eine Woche vor dem Start

So eine Woche vor dem Ablegen beginne ich mit dem Verfolgen der Wetterpatterns und mache mir auch schon Gedanken über die Optionen des ersten Schlages. Von der Firma habe ich Vorgaben, welche nach Möglichkeiten umzusetzen sind und so schaue ich, ob es drin liegt, an der Westküste von Island nach Süden zu segeln, wo wir eventuell einen Stopp einlegen könnten und wann wir an unserem ersten grossen Etappenziel - den Westmänner Inseln - sein können / müssen, damit auch der Rest der Reise reinpasst. Es sind doch immerhin rund 1000 Seemeilen in 15 Tagen zurückzulegen und dazu auch noch ein angenehmes Programm für die Gäste zu generieren. Kurz vor der Abreise sieht es dann, für die ersten Tage nicht schlecht aus, mit Winden aus zuerst nördlicher Richtung, später nach Westen drehend.

Und dann geht es am 5. September um 6h mit dem Zug Richtung Flughafen Zürich, von wo ich über Düsseldorf nach Reykjavik fliegen werde. Danach vom internationalen zum Inlandflughafen wechseln, am späteren Nachmittag in Isafjördur landen und John, den Skipper vor mir, der von Spitzbergen / Grönland kam, zur Übergabe treffen. So der Plan ... Bis Reykjavik klappt alles wie am Schnürchen und am Domestic Airport treffe ich Tina, "meine" 1. Offizierin. Wir haben uns lange nicht gesehen und es gibt einiges zu erzählen. So ganz nebenbei erfahren wir, dass unser Flug nach Isafjördur wegen zu viel Wind gecancelt worden ist und wir die Nacht in Reykjavik verbringen werden. Isafjördur ist auch wirklich ein tricky Flughafen, wo es zwischen den Bergen nicht viel Platz hat. Es werden dauernd Flüge gestrichen, bzw. verspätet. So übernachten wir halt in Reykjavik auf Kosten der Icelandair und hoffen, John und seine Crew am Tag darauf noch kurz zu sehen.

Am nächsten Morgen stehen wir ausgeschlafen (Island hat im Sommer zwei Stunden Zeitunterschied zur Schweiz) wieder am Flughafen, nur zum Erfahren, dass der Flug auf den späteren Nachmittag verschoben wurde, immer noch wegen des Windes. Kurz auf Google Maps geschaut, dauert die Fahrt mit dem Auto gute sechs Stunden und dann wären wir immer noch früher als der "vielleicht Flug" am Nachmittag. John und seine Crew verpassen wir eh ... Mittlerweile sind noch vier der sechs Gäste in Reykjavik eingetroffen und die wollen ja auch nach Isafjördur. Die anderen zwei warten bereits auf uns im Nordwesten. Darum miete ich kurzerhand einen 9-Plätzer one-way und wir sechs und noch zwei weitere verprellte Passagiere fahren frohen Mutes mit dem Minibus los. Ist eine sehr schöne Fahrt, kann ich nur empfehlen!

Der Beginn der Reise

Endlich an Bord! Leider stellt sich heraus, dass es ein Problem gibt mit dem Generator und wir voraussichtlich noch einen Tag im Hafen bleiben müssen. Da heisst es zusätzlich zum Troubleshooting: Alternativprogramm für die Gäste organisieren. Einer der Gründe, warum ich gerne mit Tina, "meiner" 1. Offizierin, arbeite ist, dass sie sich an jedem Ort immer irgendetwas Tolles ausdenkt und einfach alles organisiert kriegt. Zum Beispiel ein Auto mieten, obwohl es gar keine Vermietung gibt. Jedenfalls sind die Gäste unterwegs und ich mit den Mechanikern beschäftigt. Es stellt sich heraus, dass das eine grössere Sache ist und leider nicht so auf die Schnelle repariert werden kann. Also umdisponieren und die ganze Energieversorgung auf den Alternator der Hauptmaschine umstellen. Es müssen damit immerhin 12V und 24V Gleichstromkreise sowie 230V Wechselstrom bedient werden. Ein paar Luxus-Devices, wie die Geschirrspülmaschine oder der Backofen (400V), laufen halt nicht, aber da die Gäste gar nie in den Genuss dieser Annehmlichkeiten gekommen sind, werden sie die ganze Reise lang auch nicht vermissen. Gleichzeitig wechseln wir zwei Luken aus, von denen die Vordere immer wieder leckt und natürlich werden die Safety-Briefings gewissenhaft erledigt.

Am nächsten Morgen um sechs geht es dann doch noch raus und nach dem obligaten MOB-Übungsmanöver setzen wir Kurs auf die Westmänner. Ein Zwischenstopp geht halt leider nicht mehr, weil wir jetzt vor einer Schlechtwetterzone davonfahren. Die holt uns zum Glück nicht ein und wir können bereits nach eineinhalb Tagen - nach einem Schlenker um das berühmte Leuchtfeuer "Pridrangar" - am Abend in Vestmannaeyjar anlegen. Die Hafenpromenade hat sich seit meinem letzten Besuch im 2007 schon ordentlich verändert und der heruntergekommene Schuppen von damals ist einer hübschen Bar gewichen, in der wir noch einen Schlummertrunk nehmen. Der nächste Tag, ein Sonntag, wird der Entdeckung dieser speziellen Insel gewidmet. Am Abend gehen wir Baby-Puffins einsammeln, wie die meisten anderen auch. Diese Jungvögel werden von den Eltern aus den Nestern gestossen, um aufs Wasser zu fliegen, wo sie die ersten Wochen verbringen sollten. Leider fliegen viele nachts in Richtung Licht (Stadt) und landen dann irgendwo auf der Strasse oder so. Da werden sie eingesammelt und am nächsten Morgen über dem Wasser freigelassen.

Wir fahren dieses Mal bereits um fünf Uhr los, mit dem Ziel Torshavn auf den Färöern. Eigentlich wollten wir zuerst eine Nacht in einem Fjord im Norden des Archipels ankern, aber die Wettervorhersage hat sich so massiv verschlechtert, dass wir uns entscheiden, direkt nach Torshavn zu fahren - zum Abwettern. Wir schaffen es fast und müssen nur die letzten sechs Stunden gegen Starkwind ankämpfen. Den Rest der rund 360 Seemeilen dazwischen geniessen wir mit einer wahnsinnig schönen Nordlichtshow und es liegt sogar ein Bad im Nordatlantik drin. So gut ist das Wetter im Zwischenhoch.

Das Abwettern in Torshavn ist heftig, mit starken Böen sogar im Windschatten der Häuser. Ein Blick über die Hafenmole und wir sind froh, jetzt nicht draussen zu sein ... Die Gäste unternehmen einen Ausflug in den Archipel und wir arbeiten unsere Listen ab. Diesel-Vorfilter wechseln, weitere Checks am Generator durchführen und ins Head-Office melden, neues Tape, Lukenisolation und ein paar Werkzeuge kaufen und eine Q-Flagge organisieren, welche seit BREXIT von den Engländern zwingend wieder verlangt wird. Es gibt in ganz Färöern keine, ergeben meine Nachforschungen. Kurzerhand nähe ich selber eine aus einem neuen, gelben Putzlappen. Sieht ordentlich aus und wird seinen Dienst tun.  Und immer wieder muss das Energiemanagement beachtet werden. Wir liegen an einem Platz, welcher entweder zu viel oder zu wenig Ampere liefert und darum die Sicherungen immer mal wieder rausfliegen. Komisch ist, dass es die ganze Nacht gehalten hat ... Gleichzeitig werden die nächsten Tage geplant und programmiert, sodass die Gäste immer wissen, wohin sie steuern müssen, auch wenn Tina oder ich mal nicht gerade nebendran stehen. Es gibt ein weiteres Zwischenhoch und wir sollten es bis nach Schottland schaffen, bevor es im nächsten Sturmtief wieder starken Gegenwind gibt. Der Besuch des südlichsten Städtchens der Färöer - auf Suðuroy - muss einfach ein paar Stunden verkürzt werden. Die Klippen an der Westküste von Vágs kommuna sind sehr eindrücklich und glücklich, mit dem Zwischenstopp, legen wir am Nachmittag bereits wieder ab, mit Kurs auf Stornoway auf den Hebriden.

Für die rund 230 Seemeilen benötigen wir gut eineinhalb Tage und wir laufen am Abend in Stornoway ein. Da ich bereits auf den Färöern online beim britischen Zoll "eingecheckt" habe und es sowieso Samstag ist, werden wir bis auf Weiteres von der Behörde verschont und können nach dem Anlegen das Städtchen entdecken. Es läuft auf einen Pub-Besuch mit Life-Musik heraus und wir gewöhnen uns schnell an die angenehme Art der Schotten. Im Hafen wartet - wie vor 16 Jahren schon - ein Seehund auf die Neuankömmlinge und sorgt natürlich für den gebührenden Jöö-Faktor. 

Wieder ein Tag im Hafen, draussen "hudlets". Es ist Sonntag und in Stornoway hat eigentlich alles zu. Die Gäste machen einen Ausflug zum nahe gelegenen Stone Circle bei Callanish und ich versuche, Brot aufzutreiben. Ist nicht so einfach, wenn (fast) alles geschlossen ist, aber am Ende habe ich ein paar gummige, viel zu süsse Brotscheiben in der Einkaufstasche. Am Abend gibt es dann endlich die lang ersehnten Fish-and-Chips. Allerdings nicht in dem zuerst vorgesehenen Etablissement, da die trotz Werbung draussen gar keine Fish-and-Chips verkaufen. Auch nicht im Restaurant N°1, da die vollendiglich ausgebucht sind. Ich reserviere dann von unterwegs in einem anderen Restaurant, obwohl es da nicht nötig gewesen wäre, wie sich herausstellt. Das Essen ist jedenfalls gut und so auch die Stimmung.

"Und endlich mal wieder richtigen Landstrom. Schön, wenn die Batterien voll geladen sind!"

Dieses Mal geht es bereits um 4h los. Wir sind in einer Neumond-Zeit unterwegs und wenn es dann auch noch bewölkt ist, sind die Nächte wirklich schwarz. Trotzdem finden wir unseren Weg in offenes Wasser und nehmen Kurs auf den Sound of Raasay, westlich der Isle of Skye, wo wir im Süden eine Destillerie besuchen wollen. Bei Tageslicht und bei der Einfahrt in den Sound werden wir dann doch noch von den Zollbehörden aufgemischt und drei Beamte kommen an Bord. Sie sind aber freundlich und schauen nicht so genau hin. Nicht, dass wir etwas zu verbergen hätten. Der Wind dreht bereits wieder auf und wir ankern in der Churchton Bay auf Raasay, von wo es ein Spaziergang zur Destillerie ist. Ich bleibe nur kurz an Land, der Wind ist dann doch zu böig, um ruhig auf festem Grund zu stehen. Die Gäste degustieren ein paar edle Tröpfchen, kommen später lustig an Bord zurück und wir machen uns auf zu unserem Nacht-Ankerplatz bei Caolas Scalpay, den ich für die vorherrschenden Winde als ideal erachte. Natürlich installieren wir eine Ankerwache und so kommt jede:r in den Genuss einer Stunde im Steuerhaus, während alle anderen gemütlich schlafen. Die Nacht bleibt ruhig und ich werde nur einmal geweckt, da der Batteriestand unter die in den "Standing Orders" angegebenen 25.4 V fällt. Das ist früh am Morgen, meine Wache beginnt sowieso in 20 Minuten, sodass ich die Wachhabende in ihre Koje schicke und noch eine gute Stunde warte, bevor ich den Motor zum Laden anwerfe. Immer wieder gehen Regenschauer über unser Boot hinweg, aber der Wind hat bei weitem nicht genug Fetch, um eine Welle aufzuwerfen. Darum liegen wir sehr ruhig, trotz des instabilen Wetters.

Nach dem Frühstück gehen wir im Nordwesten der Insel Scalpay für den Besuch der Ruinen einer Wikingersiedlung vor Anker. Es werden die einzigen zwei Stunden des Tages, wo nicht immer mal wieder Regen fällt, und wir können unser obligates Strandfeuer machen und Hot-Dogs braten. Es ist der letzte Tag der Reise und wir können mit schönen Events abschliessen. Dazu gehören die nächsten Zwischenfälle eher nicht, aber ein Erlebnis sind sie trotzdem: 1. Zurück an Bord will die Hauptmaschine nicht mehr anspringen und es wird schnell klar, dass die Starterbatterie "leer" ist. Mist aber auch und warum eigentlich? Sie sollte ja nicht via Bordverbrauch geleert werden. Ich vermute, dass die elektrische Hydraulikpumpe seit gestern Abend zu viel gelaufen ist und sie über die Starterbatterie gespiesen wird. Was dumm wäre, aber nur deshalb kann es nicht ausgeschlossen werden ... Zum Glück haben wir einen Booster an Bord und können relativ unkompliziert bald weitermachen mit unserem Programm. 2. Seit meinem letzten Job auf "Valiente" wurden die elektrischen Furlers für Genua und Fock mit Manuellen ausgetauscht. Gute Sache, denke ich immer noch, nur dass sie halt noch ein paar Kinderkrankheiten haben. Heute möchte die Furlingleine nicht wie vorgesehen aufgerollt werden und verkneifft sich ordentlich in der zu losen Furlingdrum. Das bedeutet eine Stunde langsam gegenan Motoren, um das ganze zu "enttüdeln", anstatt mit räumlichen Winden auf den Kyle of Lochalsh zu segeln. Das Gezeitenfenster ist eh schon knapp, da die Stimmung bei der Wikingersiedlung so gut war, aber zu guter Letzt sind wir dann doch auf Kurs und müssen halt die letzten drei Stunden gegen Wind und Strömung nach Mallaig anmotoren, anstatt mit der Strömung. Vielleicht besser so; da sowohl der Wind als auch die Strömung stark ist und eine Wind-gegen-Strömung-Situation wohl gar nicht angenehmer wäre.

Jan Pfister BoatDriver Seefunkpraxis

Jan Pfister fährt als Skipper über die Gewässer von Europa.

In Mallaig werden wir, nach einer etwas komplizierten Kommunikation via VHF und Telefon, längsseits an zwei sehr alte Fischerboote gelotst, da die Plätze für grössere Yachten bereits vergeben sind für die Nacht. Ich habe nicht erwartet, um diese Jahreszeit noch vorgängig reservieren zu müssen, aber das instabile Wetter hat mehr Boote als üblich in die Marina gelockt. Wieder kein Landstrom und die Batterien haben doch heute schon gelitten. Nach dem Pubbesuch mit Debriefing und allem, werden die Energiespeicher halt bis um 1h früh nochmal mit der Hauptmaschine geladen. Dann halten sie bis zum nächsten Morgen, wo uns der freundliche Hafenmeister einen Platz in der Marina beschafft und wir in einem windarmen Moment "umparken" können. Bald darauf bläst es wieder fest, aber wir sind glücklich am Landstrom. Der Morgen wird ansonsten mit aufräumen und packen belegt und nach dem Mittagessen heisst es Abschied nehmen von den Gästen. Sie sind mir - wie eigentlich immer - während der Reise ans Herz gewachsen und wir alle sind ein wenig betrübt. Ich kann Tina, "meine" 1. Offizierin, sehr gut verstehen, dass sie im Moment überhaupt keine Lust auf neue Leute hat (sie macht die nächste Reise noch mit). Ich habe das auch immer, wenn ich mehrere Touren nacheinander leite. Die Übergänge sind kurz und schwierig. Man verabschiedet eine Gruppe, welche an Bord endlich gut läuft, und beginnt kurz darauf mit einer neuen Gruppe wieder von vorne. Einer der Gründe, warum ich nach über 20 Jahren im Geschäft jetzt etwas kürzertrete.

Sogar meine Reise nach Glasgow wird von den Unwettern bestimmt und dauert Stunden länger als geplant. Der Rückflug am nächsten Morgen und auch die SBB in der Schweiz sind aber pünktlich und ich habe Glück: Ich muss meine schwere Tasche nicht nach Hause ziehen. Die ist in Amsterdam hängen geblieben und wird mir am nächsten Morgen vor die Haustüre geliefert. Finde ich gut!


Wenn du auch gerne ein solches Abenteuer erleben möchtest, dann kannst du dich gerne bei Niels Frederiksen melden:
niels.frederiksen@boatdriver.ch +41 33 508 76 90